Sebastian Krawczynski als Karl 

Thomas Bernhard besitzt für viele Theaterfreunde eine ähnliche Bedeutung wie Wolfgang Amadé Mozart für Musikliebhaber. In Salzburg, Uraufführungsort von fünf Theaterstücken Bernhards, besitzt der Dichter jedoch längst nicht die nötige Präsenz. Umso bemerkenswerter ist die Initiative des Theaters Bodi end sole in Hallein: Der neue künstlerische Leiter Dominik Jellen startet mit Thomas Bernhards "Der Schein trügt" in sein erstes Jahr - in vielerlei Hinsicht ein Novum.

Generalprobe_Der Schein trügt_Theater Bodi end Sole

"Erstens haben wir noch nie im Stadttheater gespielt, zweitens haben wir uns noch nicht an ein fertiges Stück gewagt", erzählt Jellen. In mehr als drei Jahrzehnten hat sich die freie Theatergruppe Renommee damit erworben, Stücke für ungewöhnliche Theaterorte zu entwickeln. Bernhards Spätwerk auf einer klassischen Guckkastenbühne, das wirkt zunächst einmal fremd. Doch Dominik Jellen, der im Vorjahr die künstlerische Leitung von Christa Hassfurther übernahm, hat sich bewusst für dieses Stück entschieden, wie er schildert: "Ich starte damit einen auf drei Jahre angelegten Zyklus im Zeichen der sieben Todsünden." Im ersten Jahr würden Neid und Gier mit den Mitteln des klassischen Sprechtheaters thematisiert, 2025 und 2026 folgen Performance und Musiktheater.

Einen untrüglichen Sinn für Musikalität und Rhythmus besaß auch Thomas Bernhard. In seinem Zweipersonenstück schwingen Musik und Musikgeschichte immer mit, als sich die Brüder Karl und Robert am Grab der passionierten Pianistin Mathilde begegnen. "Ihr Spiel war laienhaft, jetzt fehlt es uns", sagt Karl, der Artist. Und, wie so oft bei Bernhard mehrdeutig: "Der Dilettant vergreift sich am Allerhöchsten, am Allerheiligsten."

Generalprobe_Der Schein trügt_Theater Bodi end Sole Generalprobe_Der Schein trügt_Theater Bodi end Sole

Die riesigen Textmengen sind - selbst wenn das Stück deutlich gekürzt wurde - schwer zu meistern. Mit Sebastian Krawczynski und Maximilian Pfnür verfügt die Produktion über zwei exzellente Schauspieler. Krawczynski verwandelt die Monologe des neidzerfressenen Karl - von Kostümbildnerin Franziska Krug in einen kunstvoll artifiziellen Anzug gehüllt - in Sprechmusik, spielt nuancenreich mit Dynamik, Rhythmus und Farben. Maximilian Pfnür, in Salzburg kein Unbekannter, bringt als Schauspieler Robert kunstvolle Mimik, eine clowneske Leichtigkeit ins Spiel. Er hat das Wochenendhäuschen von Mathilde geerbt, das wird ihm Karl nie verzeihen. "Immerhin habe ich den Tasso gespielt", sagt die Figur, die Thomas Bernhard einst Bernhard Minetti auf den Leib geschrieben hat. Dominik Jellen führt zudem eine Live-Pianistin ein: Jordina Millà spielt nicht nur werkgetreu Brahms und Mozart, sie verkörpert auch den Geist Mathildes.

Generalprobe_Der Schein trügt_Theater Bodi end Sole

Das Purgatorium, das der Regisseur aus dem bitterbösen Stück herausliest, spiegelt sich in Nina Vasilchenkos fulminantem Bühnenbild. Vor einem Schachbrettmuster erstreckt sich ein begehbarer roter Sarg, dessen Ebenen und Tücken sich erst allmählich offenbaren. All das fügt sich zu einem starken Theaterabend: Der Start in eine neue Ära ist Bodi end sole geglückt.

Der neue künstlerische Leiter Dominik Jellen